Ein sorgfältig und gut aufbereitetes Schwimmbeckenwasser muss mit entsprechenden Wasserpflegemittel versetzt und aufbereitet werden. Dies geben alleine schon die technischen Regelwerke für die öffentlichen Schwimmbäder (DIN 19643 – Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser in öffentlichen Bädern) oder für private Schwimmbäder (DIN EN 16713 und die bsw Richtlinie  Nr. 2020/01 - Planung der Wasseraufbereitung für Privatschwimmbäder) vor. Sämtliche Regelwerke haben eins gemeinsam, dass die Desinfektion auf Basis von Chlor bzw. oxidierenden Chlorverbindungen erfolgen soll. Wie kommt man nun von der Desinfektion auf salzhaltiger Basis zum Chlor?

Wenn von Salzen im Schwimmbeckenwasser die Rede ist, spricht man von Natriumchlorid (chem. NaCl, auch bekannt als Kochsalz). Natriumchlorid ist z.B. auch im Meerwasser das ausschlaggebende Salz. Der durchschnittliche Salzgehalt im Meerwasser beträgt etwa 3,5 % (entspricht 35 g Salz je Liter Wasser), wobei der Anteil von Natriumchlorid dabei rund 90 % beträgt. Werden in eine Natriumchloridlösung zwei Elektroden eingetaucht und daran eine Gleichspannung angelegt, wird das Natriumchlorid entsprechend der Ladung aufgespalten. Diesen Vorgang nennt man Elektrolyse (griechisch: mittels Elektrizität trennen). Die positiv geladenen Natriumionen Na+ (Kationen) wandern zur negativen Elektrode (Kathode) und die negativ geladenen Chloridionen Cl- (Anionen) wandern zur positiven Elektrode (Anode). Auch das Wassermolekül H2O wird elektrolytisch aufgespalten - in H+ und OH- Ionen.

Aus diesen entstehenden Elektrolyseprodukten wird nun je nach Verfahrensvariante das eigentliche Desinfektionsmittel freies Chlor (chem. HOCl, hypochlorige Säure) erzeugt und dem Schwimmbeckenwasser zugegeben. Dieser Schritt kann direkt oder aber auch indirekt erfolgen. Denn bei der Elektrolyse von Natriumchloridlösungen entstehen je nach Verfahrensvariante im entsprechenden chemischen Verhältnis auch Natronlauge (NaOH), Salzsäure (HCl) und Wasserstoff (H2). Der prozessbedingt entstehende Wasserstoff muss dabei ins Freie abgeleitet werden. Entweder über eine manuelle Abführung bei kleineren Mengen (konvektive Strömung) oder mittels eines Ventilators. Aufgrund der Herstellung des Desinfektionswirkstoffes vor Ort spricht man auch von der „in-situ-Herstellung“.

Ein paar Worte zu den Begrifflichkeiten. Üblicherweise spricht man von dem „Freien Chlor“ als Desinfektionsmittel. Genaugenommen umfasst das freie Chlor neben der zuvor erwähnten hypochlorigen Säure (HClO)  auch weitere Verbindungen auf Basis von Chlor. Nur im üblichen, relevanten pH-Wert-Bereich von ca. 6,5 bis 7,5 ist davon auszugehen, dass vorwiegend die hypochlorige Säure den maßgeblichen Anteil ausmacht. Daher ist es für diese und folgende Betrachtungen hinreichend genau,  das freie Chlor mit der hypochlorigen Säure gleichzusetzen.

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Die gängigsten Verfahrensvarianten werden im Folgenden erläutert:

  1. Herstellung von Natriumhypochloritlösung mittels Elektrolyse vor Ort

Die entstehende hypochlorige Säure sowie die Natronlauge werden nach der Elektrolysezelle in eine Vermischungseinrichtung geführt und reagieren dort zu einer dünnen Natriumhypochloritlösung (chem. NaClO, häufig auch als Chlorbleichlauge bezeichnet). Die Natriumhypochloritlösung wird in einem separaten Kunststoffbehälter zwischengelagert und von dort mittels einer Dosierpumpe nach Bedarf dem Filtrat zudosiert. Je nach Anlagenleistung und Behältergröße kann dabei für eine gewisse Zeit eine Bevorratung erfolgen. Zudem besteht die Möglichkeit, durch weitere Dosierpumpen auch mehrere Becken gleichzeitig zu bedienen. Aufgrund der Alkalität von Natriumhypochlorit ist deshalb eine pH-Wert Korrektur notwendig.

 

  1. Herstellung von hypochloriger Säure am Verwendungsort durch Natriumchloridlösung

Ausgehend von den erzeugten Elektrolyseprodukten Chlor und Natronlauge werden diese beiden Produkte getrennt abgeführt. Während das Chlor ohne Zwischenlagerung mit Wasser zu hypochloriger Säure reagiert und dem Filtrat zudosiert wird, muss die Natronlauge in einem separaten Behälter aufgefangen und zwischengelagert werden. Bei diesem Verfahren erfolgt keine Bevorratung von chlorhaltigen Produkten. Die Anlagenleistung muss dem maximal möglichen Bedarf entsprechend ausgelegt werden. Die bevorratete Natronlauge kann je nach Reinheit entweder zur pH-Wert-Korrektur verwendet oder aber mit ausreichend Wasser verdünnt abgeführt werden. Die bei der Einmischung von Chlor in Wasser entstehende Salzsäure muss dabei neutralisiert werden. Die Entsäuerung kann zum Beispiel mittels Marmorkies oder Zugabe von pH-Wert Wasserpflegemittel erfolgen.

Bei den bisher genannten Verfahren 1 und 2 spricht man auch von den indirekten Elektrolyseverfahren. Gekennzeichnet sind diese vor allem dadurch, dass das entstehende Desinfektionsmittel über eine separate Dosiereinrichtung (ob Dosierpumpe oder Injektorprinzip) dem Filtrat zugemischt wird und die Elektrolyse „extern“ also nicht unmittelbar im Beckenwasserkreislauf stattfindet.

Diese indirekten Elektrolyseanlagen werden überwiegend mit Elektrolysezellen ausgerüstet, dessen Elektroden (Anode- und Kathode) mittels Membranen voneinander getrennt sind (auch als geteilte Zellen bezeichnet). Man spricht dann auch von der Membranelektrolyse oder Membranzellenelektrolyse. Diese Membran trennt die beiden Elektroden insofern, als dass die Selektivität bezüglich der auftretenden Ionen und damit schließlich der Wirkungsgrad der Anlage erhöht wird.

Damit Härtebildner wie Calcium oder Magnesium die Membranen nicht belegen, werden bei Membranverfahren überwiegend Enthärtungsanlagen benötigt, die entweder extern angeschlossen oder in der Elektrolyseanlage bereits integriert sind. Neben den mittels Membranen getrennten Elektrolysezellen gibt es auch Elektrolysezellen ohne Membrantrennung (auch als ungeteilte Zellen bezeichnet). In diesem Fall ist der Wirkungsgrad meist geringer sowie die Möglichkeit des Salzeintrages in den Beckenwasserkreislauf höher.

 

  1. Herstellung von hypochloriger Säure mittels Elektrolyse im salzhaltigen Filtrat

Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein sog. direktes Elektrolyseverfahren. Dabei wird der Salzgehalt des kompletten Beckenwassers bzw. im gesamten Kreislauf durch manuelle oder automatische Zugabe von Salz angehoben. Die Konzentrationen betragen je nach Herstellerangaben etwa 0,1 bis 0,5 % (entsprechend 1 bis 5 g Salz je 1 Liter Wasser). Die Elektrolysezelle (bestehend aus Anode und Kathode) wird hierbei direkt in die Filtratleitung installiert und vollständig oder in einem Teilstrom durchströmt. Dabei bildet sich an der Anode Chlor, welches im Wasser zu hypochloriger Säure und Salzsäure reagiert und sich damit direkt im Filtrat ohne weitere Dosiereinrichtungen befindet.

Wichtig bei diesem Verfahren ist, dass aufgrund des dauerhaft hohen Salzgehaltes sämtliche verwendeten Werkstoffe im Schwimmbecken, der Anlagentechnik aber auch in der Schwimmhallenkonstruktion (bei Hallenbädern) in entsprechend beständiger und geeigneter Qualität ausgewählt werden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Anlagenteile oder Bereiche, die für eine Reinigung nicht oder nur schwer zugänglich sind und/oder tragende Funktionen aufweisen,  besonderen Anforderungen unterliegen.

Damit eine ausreichende Desinfektionskapazität vorhanden ist, muss regelmäßig der Salzgehalt überprüft und angepasst werden, da aufgrund der Filterspülung mit Beckenwasser und Nachspeisung mit Trinkwasser der Salzgehalt verringert wird. Der Einfluss der Härtebildner ist auch bei diesem Verfahren bemerkbar. Deswegen müssen die Elektroden in regelmäßigen Abständen gespült und/oder durch eine elektrische Umpolung einem zu starken Belag vorgebeugt werden.

Einige Worte zur Salzqualität. Die Hersteller der Elektrolyseanlagen machen je nach Verfahren Angaben über die Mindestqualität des Salzes. Diese Angaben sollten in jedem Falle beachtet werden, da durch unterschiedliche Zusammensetzungen und Nebenbestandteile in den Salzen der Wirkungsgrad der Elektrolyseleistung abnehmen kann und zudem eine häufigere Reinigung und Wartung mit einhergehen kann.

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Rechtliche Rahmenbedingungen

Da jedes Desinfektionsmittel – ob im Schwimmbad, Trinkwasser oder im Haushalt verwendet – Bestandteile enthält, welche die Wirksamkeit ausmachen, werden die in dem Biozidprodukt enthaltenen Wirkstoffe geregelt. Grundlage hierfür ist die Biozidverordnung (EU Verordnung 528/2012) die den Verkauf und die Abgabe von Biozidprodukten in ganz Europa regelt. Bei in situ – also vor Ort (hier: durch Elektrolyse) - hergestellten Bioziden ist das zulassungspflichtige Biozidprodukt entweder:

der/die Stoff(e) oder Gemisch(e), aus denen der Wirkstoff hergestellt wird, oder

der Wirkstoff, der aus Stoffen oder Gemischen hergestellt wird, die selbst nicht als Biozidprodukt zugelassen werden können. Wird zum Beispiel hypochlorige Säure aus Natriumchlorid hergestellt, welches zu Desinfektionszwecken vermarktet wird, so wäre das Natriumchlorid als Biozidprodukt anzusehen. Wird dagegen hypochlorige Säure elektrolytisch aus Meerwasser hergestellt, so stellt die hypochlorige Säure das Biozidprodukt dar, da das Meerwasser selbst nicht als Precursor (Vorläufersubstanz) vermarktet wird.

Gemäß Biozidverordnung dürfen Biozidprodukte nur noch Wirkstoffe bzw. Vorläufersubstanzen (hier: Natriumchlorid) von Herstellern enthalten, welche in der sog. Artikel 95 Liste der Europäischen Chemikalienagentur (kurz: ECHA) geführt werden. (auszugsweise, Quelle: www.reach-clp-biozid-helpdesk.de) Da sich rechtliche Rahmenbedingungen ändern können, stellen die Ausführungen den Sachstand zum April 2022 dar.

 

Hinweise zu Begrifflichkeiten und Falschdarstellungen

Häufig tauchen die Begriffe der Hydrolyse oder der anodischen Oxidation auf, die insbesondere im Zusammenhang mit den Elektrolyseverfahren im salzhaltigen Filtrat verwendet werden.

 

Hydrolyse:

Es handelt sich um einen chemischen Begriff, der genaugenommen besagt, dass bei einer chemischen Reaktion in Anwesenheit von Wasser das Wassermolekül (H2O) aufgespalten wird und das entstehende Wasserstoffion (H+) im vorliegenden Fall an das Chlor gebunden wird (Entstehung der hypochlorigen Säure HOCl) und das ebenfalls entstehende OH- Anion an einen weiteren „Partner“ gebunden wird – im vorliegenden Fall an positiv geladene Gegenionen wie Na+, Ca2+). Es handelt sich also um keine Besonderheit eines einzelnen Verfahrens, sondern um einen chemischen Vorgang, der ohnehin bei einer Elektrolyse in Anwesenheit von Wasser und Salze abläuft.

 

Anodischen Oxidation:

Auch dieser Begriff wird gerne verwendet, um möglicherweise ein besonderes Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Wie zuvor bei der Hydrolyse handelt es sich bei der anodischen Oxidation um nichts anderes als um eine Teilreaktion, die bei der Elektrolyse abläuft. Der Name besagt es schon: An der Anode (Pluspol bei der Elektrolyse) werden die negativ geladenen Teile „oxidiert“, indem Elektronen (die die negative Ladung eines Elementes charakterisieren) abgegeben werden. In unserem Fall wird das negativ geladene Chloridion (Cl-) aus dem Kochsalz (NaCl) oxidiert und es entsteht das Chlorgas (Cl2), welches in Anwesenheit von Wasser wiederum zu dem bekannten Desinfektionswirkstoff hypochlorige Säure (HOCl) reagiert.

Genaugenommen sind beide Begrifflichkeiten bei den hier aufgeführten Elektrolyseverfahren fachlich richtig, stellen jedoch jeweils nur einen „Ausschnitt“ aus der Gesamtheit aller ablaufenden Reaktionen dar. Am Ende laufen die genannten Reaktionen immer ab und liefern den für den Beckenwasserkreislauf zwingend erforderlichen Desinfektionswirkstoff – die hypochlorige Säure – oder einfach gesprochen, das freie Chlor!

 

Verwendung der Bezeichnungen  „chlorfreies Verfahren“ oder „Desinfektion auf Salzbasis“

Zur Klarstellung: Bei Anwesenheit von Natriumchlorid – auch bei geringen Konzentrationen – entsteht bei Verwendung eines Elektrolyseverfahrens der Wirkstoff hypochlorige Säure. Es mag durchaus sein, dass die Konzentration gering ist, aber sie ist dennoch vorhanden. Der Begriff „chlorfreies Verfahren“ ist daher fachlich nicht richtig. Die Begrifflichkeit „Desinfektion auf Salzbasis“ hingegen ist zunächst fachlich nicht zu beanstanden. Im Grunde ist das Salz (Natriumchlorid) der Ausgangsstoff, führt aber durch eine Elektrolyse wiederum zu dem bekannten Wirkstoff – der hypochlorigen Säure.

Frank Eisele
Dipl.-Ing./Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH)

Der Autor ist von der IHK Region Stuttgart öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schwimmbad- und Wellnesstechnik sowie Technische Gebäudeausrüstung für Schwimmhallen sowie Mitglied in zahlreichen Branchenausschüssen.